Jahrestagung 2014: Energiegeographien in internationaler Perspektive

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Überblick

Veranstalter:

Arbeitsbereich Wirtschafts- und Sozialgeographie des Geographischen Instituts der
Universität Bonn (GIUB)
sowie Arbeitskreis der geographischen Energieforschung der Deutschen Gesellschaft für Geographie (DGFG)

Termin:

Freitag, 21. und 22. November 2014 am Geographischen Institut der Universität Bonn


Der Übergang zu erneuerbaren Energien und einer klimaneutralen Energieversorgung ist weltweit zu einem wichtigen Ziel der Politik geworden. Dabei sind länderspezifisch unterschiedliche Entwicklungspfade zu beobachten. Insbesondere für „energie-hungrige“ Schwellenländer, aber auch für andere Länder und Regionen im globalen Süden, eröffnet die Transformation der Energiesysteme die Möglichkeit, von Vorreiterländern zu lernen. Die Geographie mit ihrem Fokus auf integrierende Betrachtungsweisen kann hier einen wertvollen Beitrag leisten. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich die Jahrestagung 2014 mit internationalen Perspektiven von Energie-Geographien.


Referenten:

  • Ruud Kempener (Analyst für technologische Projektpläne bei IRENA)in Vertretung für Roland Roesch (Senior Programme Officer, Renewable Energy Markets and Technology Dialogue bei IRENA),
  • Harry Hoffmann (Doktorand am Institut für Sozioökonomie des Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) e. V. )
  • Fabian Schwarz (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geographische Entwicklungsforschung (Prof. Dr. B. Lohnert), Universität Bayreuth)
  • Pascal Ripplinger (Master-Student am Geographischen Institut der Universität Bonn)
  • Jens Marquardt (Doktorand am Forschungszentrum für Umweltpolitik, Freie Universität Berlin)
  • Catherina Cader (Doktorandin der Philipps-Universität Marburg und Mitarbeiterin am Reiner Lemoine Institut Berlin)
  • Dr. Thomas Henning (Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Philipps-Universität Marburg)
  • Professor Andrew Cumbers (Adam Smith Business School, University of Glasgow)



Globale Perspektiven Erneuerbarer Energien

Referent: Ruud Kempener

In diesem Vortrag wurden zentralen Punkte und Fragestellungen des Nexus Energie, Geographie und Entwicklung genannt: Was sind wichtige Sektoren des Energiesektors? Welche Rolle spielen Erneuerbare Energien (EE) und Energieeffizienz bei zukünftigem Wachstum? Inwiefern kann man den Gebrauch von EE noch weiter erschließen? Wie kann man den Gebrauch von EE finanzieren? Wer spielt auf dem Gebiet der EE zentrale Rollen? (Private Akteure wie beispielsweise Firmen, Institute und Haushalte, staatliche Akteure wie beispielsweise Staatsorgane der indischen Regierung/vgl. Punkt 3c), Hochschulen etc.)



Bioenergie und Entwicklung in Tansania

Referent: Harry Hoffmann

Die zentrale Frage des Referenten in diesem Vortrag war: Wie kann die Produktion von Holzkohle, ein wichtiger Energielieferant in Entwicklungs- und Schwellenländern, nachhaltiger gestaltet werden? Dabei fokussierte sich Herr Hoffmann auf Tansania. Dort ist Holzkohle ein wichtiger Energielieferant, die oft illegal und sehr ineffizient verarbeitet wird. Akteure in der Holzkohleproduktion wurden in der Vergangenheit von staatlicher Seite oft in die Illegalität getrieben. Der Effizienzgrad der hergestellten Holzkohle beträgt oft nur 10-15%, ein hoher Holzverbrauch pro Einheit Heizwert ist daher die Folge; die tansanische Holzkohle wird oft mit improvisierten Meilern hergestellt, die sehr primitiv gebaut sind. Diesem Umstand ist die geringe Qualität der Produkte zuzuschreiben.

Als ein positives Projekt stellte Herr Hoffmann ein Projekt vor, welches 2010 in einem tansanischen Dorf durchgeführt wurde. Dabei wurden deutlich verbesserte Meiler zur Holzkohlegewinnung und Improved Stoves zur Verbrennung verwendet, die die Indoor Air Pollution deutlich reduzieren und den Holzkohleverbrauch spürbar senken konnten. Das Projekt zeigte somit erste Erfolge bei der nachhaltigen Produktion von Holzkohle.

Fazit: Generell ist Holzkohleproduktion in EL/SL häufig nicht nachhaltig und ineffizient. Im Beispiel hat sich die Kombination aus effizienterer Produktion von Holzkohle und geringerem Verbrauch jedoch als wichtig und erfolgreich auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit bewiesen.



Barrieren für die erfolgreiche Nutzung vorhandener Biomassepotentiale in Ostafrika

Referent: Fabian Schwarz

Herr Schwarz stellte zwei Fallstudien aus Uganda und Tansania vor, um Barrieren bei der Nutzung von Biomasse darzustellen. In beiden Ländern ist die Versorgung mit Elektrizität nur gering ausgeprägt und beide Länder haben ihre aktuellen 10-Jahres-Pläne bzgl. der Effizienzsteigerung der Energienutzung verfehlt.

Als Barrieren identifizierte Schwarz:


  • Finanzierung
  • Marktversagen
  • Juristischer Rahmen
  • Fehlende Human Skills im Umgang mit EE


Als Beispiel diente eine Anlage, die Zucker aus Zuckerrohr herstellt. Dabei wurde die Molasse, ein Abfallprodukt, für gewöhnlich ungenutzt entsorgt. Die Molasse kann jedoch als Antriebsstoff für Biogasanlagen genutzt werden. Durch Nutzung der Molasse für die Stromerzeugung könnten in Uganda jedoch gewaltige Potenziale erschlossen werden. Notwendig hierzu sind jedoch Investitionen in Aus- und Weiterbildungsprogramme.

Fazit:

In Uganda und Tansania existieren viele solcher politischen und institutionellen Hürden, die den Erfolg ähnlicher Unternehmungen behindern. Durch verbesserte Aus- und Weiterbildungen können diese jedoch überwunden werden.



Erneuerbare Energien in Sub-Sahara-Afrika: Fallstudie Gambia

Referent: Pascal Ripplinger

Gambia ist der kleinste afrikanische Staat. Die nationale Stromversorgung wird überwiegend durch Dieselgeneratoren sichergestellt. Das Land ist sehr anfällig gegenüber Lieferengpässen von Öl und Treibstoff. Die Strompreise sind hoch. Erneuerbare Energien stellen eine Alternative zu diesem unwirtschaftlichen und überkommenen System dar, insofern, dass man dezentrale EE-Lösungen für die Stromversorgung erstellen kann. Ein deckender Ausbau des National Grid basierend auf der vorhandenen Technologie wäre teuer und emissionsreich.

Anreize für den Einsatz von EE können sein:


  • Steuervergünstigungen
  • Landschenkungen
  • Allgemeine legislative und juristische Förderung von EE


Hindernisse für den Einsatz von EE sind aktuell:


  • Anlagen mit EE benötigen hohe Investitionskosten
  • Kapital ist selten verfügbar
  • Zinsen sind i.d.R. hoch und die Rückzahlungszeiträume sind kurz


Verbesserungen in dieser Situation können sein:


  • Ein Ausbau des National Grid ist ohne erhöhte Schadstoffproduktion kaum möglich; da in Gambia Strom momentan primär durch Dieselgeneratoren erzeugt wird, hätte eine Ausweitung des Netzes unweigerlich einen Ausweitung der Generatorenkapazitäten zur Folge; dezentrale EE-Anlagen stellen eine Alternative dar: Kleine Windkraftanlagen und Solaranlagen zur lokalen Stromversorgung wurden bereits erprobt.
  • Darüber hinaus ist ein technischer Studiengang an nationalen Universitäten geplant, um Akteure in der Handhabung und Wartung von EE-Anlagen auszubilden



Initiatoren des Wandels in Multi-Level-Systemen: Erneuerbare Energien in Indonesien und den Philippinen

Referent: Jens Marquardt

Energie und Südostasien: Die wirtschaftlich starken Nationen in Südostasien (Indonesien und die Philippinen) weisen einen hohen Energieverbrauch auf. Zentral hierbei ist, dass diese Regionen auf mehreren Ebenen, also sowohl nationalen als auch internationalen, nachhaltig gelenkt werden. Diese Mehrebensteuerung wurde durch den Sturz autoritärer Regime in Indonesien und den Philippinen begünstigt, aktuell beginnt ein radikaler Prozess der Dezentralisierung. Dadurch spielen nun auch verstärkt subnationale Akteure im Bereich der erneuerbaren Energien eine zentrale Rolle und sind als neue Drivers for Change anzusehen. Als Hindernisse erweisen sich aber leider nach wie vor oft Schlüsselakteure (Banken u.a. Finanzintermediäre).



Off-Grid-Elektrifizierung vs. Netzausbau im geographischen Fokus: Relevante Parameter und die Rolle von Erneuerbaren Energien

Referent: Catherina Cader

Das Reiner-Lemoine-Institut in Berlin verfügt über diverse Software-Lösungen, mit denen optimale Standorte und Parameter für EE-Technologien ermittelt werden können.

Frau Cader stellte Kamerun als Beispiel vor. Das Land wurde mittels der Software auf mehrere Parameter (Windgeschwindigkeit, Sonneneinstrahlung, Bewuchs, Anschluss ans nationale Stromnetz) hin evaluiert. Daraus wurde eine Karte mit Empfehlungen für Mini-Grid-Standorte erstellt, woraus Nutzer ableiten können, an welchen Standorten die Erstellung eines Mini-Grid gegenüber einer Ausweitung des nationalen Stromnetzes angebracht ist.



Der große Hunger nach Energie: Ein Vergleich von China und Indien

Referent: Thomas Henning

Indien und China erleben als aufstrebende Volkswirtschaften derzeit ein hohes wirtschaftliches Wachstum, das mit einem gesteigerten Energiebedarf einhergeht. Mit Fokus auf den Strommarkt weisen beide Länder weltweit die drittstärksten Wachstumsraten auf. Co2-intensive Stromerzeugung ist in der Regel die Folge.

Sowohl Indien als auch China erweitern ihr Energieportfolio unter Einbeziehung von EE. Ein großer Anteil von EE wiederum entfällt auf Wasserkraft, man kann zurzeit von einer Renaissance dieser Energie in Indien und China sprechen. Schwerpunktregion in beiden Ländern ist die gemeinsame Grenzregion im äußersten Osten Indiens. Beide Länder sehen sich jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert, wenn es um den Energietransport über große Distanzen im Landesinneren geht.

China weist im Südwesten des Landes viele Staudämme auf, die zur Gewinnung von Hydropower eingesetzt werden. An der Grenze zu Indien sind mehrere Großprojekte im Bau. Vor allem im Einzugsgebiet des Irrawaddy sind mehrere solcher Vorhaben geplant. Dabei tritt jedoch die Gefahr auf, dass nachgelagerte Gebiete über nationale Grenzen hinweg austrocknen können. Dies spielt vor allem in der politisch instabilen Grenzregion Indiens zu China eine Rolle, wo solche Austrocknungen das Potenzial haben, politische Konflikte noch zu verschärfen.



Keynote Lecture: Die Energiewende, die Logik der Dezentralisierung und die Ökonomie der Re-Kommunalisierung

Referent: Professor Andrew Cumbers

Der Wechsel von konventionellen Rohstoffen zu erneuerbaren Energien im Kontext der Energiegewinnung eröffnet neue politische Möglichkeiten, ökonomische Schwierigkeiten und geographische Schwerpunktsetzung. Der Fokus verschiebt sich von nationalen Stromnetzen hin zu dezentralisierten Netzen. Daraus entstehen Spannungen zwischen etablierten privatisierten Parteien in der Energieversorgung und neuen Forderungen, die Energieversorgung demokratischer und kollektiver zu gestalten. Gegen neoliberale Strömungen, Privatisierungen und wettbewerbliche Strömungen entstehen neue Ansätze auf kommunaler und lokaler Ebene.



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